Am Anfang der Saison steht die Saisonplanung. Schon letztes Jahr war mein Ziel endlich wieder an einem Radmarathon teilzunehmen. Leider klappte es nicht und so stand das Ziel dieses Jahr wieder auf meinem Plan. Da der Plan dieses Jahr mit Trainer wesentlich strukturierter ist, klappte es am Sonntag mit dem Radmarathon.
Aber erstmal: was ist so ein Radmarathon und wie ist er mit einem Laufmarathon vergleichbar? Die Gemeinsamkeit: Er ist lang – bei einer Streckenlänge von 200km+ ist man damit auch wesentlich länger als bei einem Laufmarathon unterwegs. Aber er ist meist an eine RTF (Radtourenfahrt) angegliedert und somit gibt es z.B. weder Zeitnahme noch Sieger. Es gibt auch Pausen, die sogar mit warmen Essen und Nachtisch vieles mit sich bringen, was das Herz begehrt. Der Wettkampfcharakter ist also nicht gegeben, allerdings ist die Dauer des Sports wesentlich länger. Meinen ersten und bis dahin einzigen Radmarathon bin ich 2010 mit einem 25er Schnitt gefahren. Somit sitzt man bei 200km 8h im Sattel. Ohne Pausen, ohne Anreise – nur pedalieren.
Beim Radmarathon 2010 bin ich bei Kilometer 170 in einen Hungerast gefahren, weil ich zuvor Magenprobleme hatte und die Verpflegung einfach nicht mehr runterbekommen habe. Das sind Erfahrungen die man hoffentlich nur einmal im Leben macht, aber die den Erfahrungsschatz eines Sportlers definitiv erhöhen. Man kennt die Vorzeichen und weiß, wie man solche Situationen im Vorfeld vermeidet. Das Gefühl bald kraftlos mit dem Rad umzukippen, um dann an der nächsten Verpflegungsstation mit Powerbar-Riegeln und 30min Pause doch wieder richtig Kraft zu haben. Die Powerbar-Riegel hielten auch genau 25km, weswegen ich auf den letzten 5km die 100m auf meinem Tacho runterzählte und hoffte den Zielort sitzend auf dem Rad zu erreichen. Im Ziel verbrachte ich noch eine Stunde auf einer Bank, um geordnet nach hause fahren zu können. Dieses Erlebnis hat mich 2010 noch 2 Wochen danach begleitet. Läufe mit wesentlich erhöhtem Puls und eine ingesamte Kraftlosigkeit haben mir großen Respekt eingeflößt und schlussendlich auch dafür gesorgt, dass ich trotz viel Training erst 4 Jahre später den nächstne Anlauf gewagt habe.
Die Woche vor dem Radmarathon ist vor allem mit einem Blick auf die Wetter-App geprägt. Bitte nur kein Dauerregen, keine Gewitter. Leider sagte die Wettervorhersage zu Beginn der Woche ein Gewitter für den Sonntag vorraus. So lange hin, das ändert sich ja eh noch – war da mein Gedanke. Leider änderte sich das Bild über die gesamte Woche nicht. Extreme Hitze an den Vortagen und ein Gewitter am Sonntag. Neben dem Wetter ist das Material der zweite Punkt. Am Wochenende zuvor habe ich in den Niederlanden am Meer zwei Radtouren unternommen, bei dem die Tour am Sonntag Regen mit sich brachte und mit einem schleichenden Plattfuss für einen vorzeitigen Abbruch der Tour sorgte. Also stand eine Säuberung vom Sand und eine genaue Prüfung des Hinterrads auf dem Plan. Der Plattfuss lag wohl am Ventil, aber zur Sicherheit wechselte ich den Schlauch und checkte den Reifen auf eventuelle eingeschlossene Glassplitter. 7,5 Bar drauf, Bremsflächen reinigen und Bremsklötze säubern – fertig. Vorne auch noch mal der Check, Luft drauf, Bremsflächen reinigen und rein. Mit WD40 noch mal an alle beweglichen Teile außer Kette, die mit Kettenwachs noch mal auf Hochglanz und leisen Lauf getunt wurde. Zufrieden packte ich das Rad ins Auto, denn die 200km und 6 Uhr Start reichten aus. Da brauchte ich die 20km Anfahrt nicht noch zusätzlich (auch wenn ich das normalerweise schon vermeide).
Um 5 Uhr klingelte der Wetter und der Blick aus dem Fenster zeigte: REGEN. Regen? Was zum Teufel? Die Wetter-App sagte immer noch einen Niederschlag von 0,0mm für den Vormittag an. Der Regenradar zeigte aber ein schönes Regenband, welches sich wohl über die nächsten 1-2h über Köln bewegte. Würde wohl wieder trocken werden, aber Schade um die intensive Radpflege am Vorabend – zwar nötig, aber auch schnell wieder dahin. Rein in die Radklamotten – achja, was zieht man bei so einer Tour an?
Ich setze auf wenige Teile, die ich intensiv gefahren habe. Mavic-Hose mit normalem Polster (behandelt mit Assos-Creme), ein normales Trikot und bei dem warmen Wetter kein Unterhemd. In den Taschen finden später 2 Powerbar-Riegel (sicher ist sicher), ein wasserdichter Beutel für Geld, Geldkarte, Bahnkarte und Stempelkarte sowie mein Schlüssel wieder. Mit Regen und Gewitterwarnung am Nachmittag kommt das Handy heute nicht mit. Regenklamotten braucht man bei der Wärme nicht. Nass ist nass und mit Regenklamotten ist man unten drunter nicht weniger nass. Die Sonnencreme ließ ich weg, da die freien Stellen von etlichen Kilometern dieses Jahr braungebrannt sind. Im Gegensatz dazu trage ich seit dem Frühjahr „permanent“ Radsachen in hell darunter.
Ich steige ins Auto und komme bei leichtem Regen am Startort an. Von den Helfern vor Ort auf die Parkwiese eingewiesen, zeigt sich, dass Radfahrer ein besonderes Volk sind. Wer würde sonntags um 6 Uhr am Sonntag morgen bei Regen draußen sein? Schaaren von Radfahrern natürlich. Die wohl kleinste Qual des Tages. Radschuhe an, Helm auf und ab an die Anmeldung. Neuerdings mit QR Code zieht die Moderne auch in den Sporthallen der RTFs ein. Für den Radmarathon gab es ein gelbes VIP-Band für die gute Verpflegung unterwegs. Mit dem Spruch „das Regengebiet zieht wieder ab“, rolle ich zum Start, um mir den ersten Stempel zu holen.
Die ersten Meter rolle ich alleine und versuche in den Tag zu kommen. Ich überhole die ersten Radler, ohne aufs Tempo zu drücken, will aber bei regennasser Straße auch keinen Windschatten suchen. Ich lasse es gemütlich angehen, es sind ja noch ein paar Kilometer zu fahren. Auf dem Garmin Tacho ist die Stecke eingespeichert, um unterwegs nicht zu viel Zeit mit der Suche nach Fahrtmarkierungen zu verlieren. Allerdings ist alles super ausgeschildert. Nach 15km glaube ich meinen Augen nicht. Wen sehe ich da, die Truppe an Radlern, mit denen ich 2 Monate zuvor schon eine RTF in Bonn zusammen gefahren bin. Wir hatten uns dort mit ähnlichem Tempo auf der Strecke kennen gelernt und die RTF gemeinsam bis zum Ende gefahren. Leider weiß ich, wie stark sie sind und wundere mich, warum sie so gemütlich unterwegs sind. Ich versuche nicht an der Gruppe vorbei zu ziehen, sondern hänge mich quatschend rein. Auf den folgenden Kilometern kam es dann, wie es kommen sollte. Das Tempo zog an (nein, ich war zu dem Zeitpunkt hinten in der Gruppe) und es wurde sportlicher. Dabei wollte ich es doch ruhig angehen lassen. Der Windschatten hielt mich noch im normalen Bereich. Aber nur im Windschatten lutschen? Wir überholten etliche Radfahrer, die noch früher gestartet waren. Da brach das Rennen aus und die Truppe zog das Tempo an. Um nicht zu überpacen ließ ich sie ziehen. Ein anderer Radfahrer der auch aus der Gruppe geflogen war setzte sich in meinen Windschatten und so ging es weiter bis zur ersten Verpflegungsstation, wo ich wieder auf die Gruppe stieß. Gut Essen und Trinken war die Devise, um nicht wieder in einen Hungerast zu fahren. Als ich losfuhr war die Gruppe schon wieder weg, aber ich sah sie in der Nähe. Mit frischen Beinen von der Pause fuhr ich wieder in die Gruppe rein, was bei dem danach folgenden Gegenwind auch eine gute Idee war. Trotzdem war das Tempo in Windschatten Oberkante. Erst mal keine Chance sich nach vorne zu setzen, ohne in den roten Bereich zu fahren. Würden sie das Tempo weiter verschärfen, würde ich mir wieder alleine mein eigenes Tempo suchen. Heute war nicht der Tag der guten Beine, aber die Sorge das ich hinten raus abbauen würde blieb unbegründet. Ich konnte das Tempo halten und die Kilometer wurden weniger und weniger.
An den Anstiegen in die Eifel war ich dann mehr in meinem Element und konnte mich wieder lockerer in der Gruppe halten. Bald folgte die nächste Verpflegung, die wieder voll genutzt wurde. Mit vollen Flaschen und gut gestärkt ging es weiter durch die Eifel. Auf wunderschönen und ruhigen Strecken fuhren wir in einem guten Tempo zu viert vor uns hin. Auf einem steilen Kurzanstieg gesellte sich dann noch ein Paar mit Transalp-Trikots dazu, die unser Tempo aufnahmen und mir in den folgenden Anstiegen locker davon fuhren. Die Kilometer rannten herunter und mit einem Lächeln vernahm ich das Bimmeln meiner Uhr, die sich alle 5km mit den Zwischenzeiten meldete. Ich vermutete das die Strecke hinten raus noch zäh werden würde, aber die Verpflegungsstellen waren zwischenzeitlich alle 20-25km gereiht. Die Mittagspause bot dann sogar warmes Essen, wobei mein Magen nichst Warmes wollte und ich mich stattdessen mit Salamibrötchen, Joghurt und Cola stärkte. Auf den nächsten Kilometern bekam ich den zweiten Atem und konnte mich auch mit in die Führungsarbeit im Wind setzen. Meine Kondition fühlte sich gut an und auf dem Rückweg profitierten wir von den zuvor erkletterten Höhenmetern und dem jetzt einsetzenden leichten Rückenwind.
Nach einigen Kilometern vorne im Wind setzte sich der Träger des Transalp-Shirts nach vorne und machte ordentlich Tempo. Mit guten Beinen hängte ich mich direkt wieder in die Spitze einer ca. 20 Mann großen Truppe rein. Leider wurde das Tempo extrem schnell und wir zogen mit 40km/h auf schnurgeraden Straßen unseren Weg. So langsam merkte ich meine Kräfte schwinden und wollte im nächsten Ort weiter nach hinten in der Gruppe gehen. Es folgte aber nur ein Rechtsknick und die nächste Gerade auf der die Spitze das Tempo wieder anzog. Das war es, keine Kraft mehr zum Ranspurten und so zog die Gruppe davon. Mein Tempo war gut, aber nicht so schnell wie die Gruppe. Ich hielt mein Tempo und an einem Hügel fielen zwei Fahrerinnen heraus. Unter anderem die Trägerin des Transalp-Shirts, während vorne das männliche Transalp-Shirt die Gruppe zeriss. Dabei muss man sagen, dass sie bis dahin extrem stark unterwegs war und wir bei Kilometer 170 angekommen waren. Ich nahm sie in den Windschatten, wäre aber auch nicht an die Gruppe rangekommen. An der nächsten Abbiegung bemerkte die Gruppe aber den Verlust und nahm das Tempo raus. Nach einer Sortierung der Gruppe zog sie dann nach vorne und verlor zur Belustigung der Gruppe ein paar sehr deutliche Worte an ihren (vermutlich) Mann. Wieder in der Gruppe zurück beruhigte sich das Tempo leicht, wobei wir weiterhin mit einer größeren Gruppe Richtung Ziel fuhren. Bei den kurzen Beschleunigungen merkte ich die Oberschenkel schon gut, aber auf der Geraden war genügend Kraft da. Kilometer 185 war vorbei und die letzte Verpflegungsstation erreicht. Alle lobten den D-Zug im Transalp-Shirt, der einfach nicht mehr aus der Führung zu denken war. Unglaublich was er nach der Kilometerzahl aufs Pedal brachte und der Rest der Truppe hatte wohl etwas unter dem straffen Anfangstempo gelitten und setzte sich dankbar in den Windschatten. Jetzt noch 20km und wir wären zurück. In einer Ortsdurchfahrt kam dann das jehe Ende eines so tollen Radmarathons. Ein Auto steht in einer Seitenstraße und man denkt: nein, bleib einfach stehen. Diese Sekunde in der ein Autofahrer zögert und dann doch rauszieht. Diese Sekunde in der man hofft, dass er stoppt, weil man mit 40km/h leicht bergab in den Ort fährt. Er fährt und zieht kurz vor der Gruppe rein. Er beschleunigt nicht voll und zwingt die Gruppe vorne zum Bremsen. Alles Hoffen bringt nichts und so sehe jemanden voll auf den Asphalt stürzen. Gerade noch kann ich rechts ausweichen und komme wenige Meter später zum Stehen. Ein Blick zurück lässt Schlimmes befürchten, er liegt immer noch am Boden. Das Rad beseite gestellt befreien wir ihn vom Rad. Zum Glück steht er kurz darauf und ist bis auf Prellungen und Schürfwunden recht unversehrt. Das Rad hat auch böse gelitten und lässt sich erst mal nicht weiter rollen. Während dessen kümmern sich andere um den Autofahrer, der den verursachten Unfall nur langsam begreift und erst durch das wehemente einreden der Freunde langsam versteht, was er da angerichtet hat. Als er beim Verunfallten ankommt fragt er noch, ob sich dieser frisch machen will und ein Eis will. Lassen wir uns noch mal auf der Zunge zergehen: er hat irgendwen auf den Asphalt geschickt und sagt was von einem Eis? Nach meinem Unfall vom Frühjahr, weiß ich, wie lange man Spaß an so einem Mist hat. Nach ein paar Minuten hat sich das Bild zum Glück etwas gebessert. Der Unfallverursacher kümmerte sich gut um den Verunfallten und das Rad konnte wieder fahrbereit gemacht werden. So traten wir dann in sehr gemäßigtem Tempo die letzten Kilometer an.
Im Ziel gibt es dann das wohlverdiente Erdinger Alkoholfrei für alle. Ein toller Radmarathon ist geschafft, ich um eine lange Erfahrung reicher. Ein großer Dank geht Condor Flug TSV Immendorf, die diesen tollen Radmarathon organisiert haben, an dem es an nichts fehlte. Wieder mit der Truppe unterwegs zu sein, war wirklich toll und ließ die Kilometer in der Mittagshitze zerfließen. Dank auch an meine Garmin-Geräte Edge 800 und Forerunner 620, die beide die volle Tour aufzeichneten: http://connect.garmin.com/modern/activity/545606955